Sonja Sinz über „das Leben nach“ Sensing the Essence
Warum unsere Ausbildung auch für bereits tätige Teamcoaches und Facilitators wertvoll ist? Das erfährst du im Interview mit Sonja Sinz.
Bewegend ehrlich berichtet Sonja über ihre Angst vor so genannten negativen Gefühlen in Gruppen, über Momente der Wahrheit, die Auflösung eines schwierigen Konflikts sowie einen persönlichen Meltdown. Sie erzählt aber auch über ihren Gewinn von innerer Stabilität, Gelassenheit und Vertrauen in sich und die Menschen. Alles geschehen – während unserer Ausbildung.
Hallo liebe Sonja, warum hast du dich für die Ausbildung entschieden?
Zu dem Zeitpunkt, als ich mich für die Ausbildung angemeldet habe, hatte ich bereits ein Jahr lang als Teamcoach und Facilitator gearbeitet. Tatsächlich haben mich einige Kolleginnen und Freunde auch gefragt „warum brauchst du dafür denn noch eine Ausbildung – du machst das doch schon?“ Ja das stimmte, ich machte das schon und ich machte das auch ganz gut und gleichzeitig hatte ich das Bedürfnis, das was ich tue zu professionalisieren. Ich wollte gewisse Situationen einfach besser moderieren können.
Was für Situationen zum Beispiel? Und was heißt „besser“?
Naja, also eine meiner größten Stärken ist, dass ich eine sehr optimistische Person bin, die unglaublich viel positive Energie verströmt und das kann ich auch ganz gewinnbringend einsetzen in der Art und Weise wie ich arbeite. Gleichzeitig hat diese Fokussierung auf das Positive aber manchmal die Kehrseite, dass ich mich unwohl fühlte, wenn Gefühle wie Trauer oder Schmerz, Reue oder Scham aufkamen in einer Gruppe, mit der ich arbeitete. Da fiel es mir schwer, diesen Gefühlen Raum zu geben, obwohl insgeheim wusste, dass das notwendig gewesen wäre, um ein Stück weiterzukommen mit den Leuten. Aber das traute ich mich nicht aus Angst, nicht mehr kontrollieren zu können was ich damit lostrete. Deswegen habe ich in solchen brenzligen Situationen dann schnell abgelenkt und etwas Anderes gemacht, um über diesen komischen, für mich unangenehmen Moment hinwegzukommen.
Es gibt ja manchmal diese intensiv aufgeladenen Momente, wo du genau spürst: diese Personen, mit denen ich hier rede, sind gerade sehr angefasst und wenn ich jetzt noch diese eine Frage stelle, die vielleicht auch wichtig wäre zu stellen, dann kann alles Mögliche passieren – und davor hatte ich total Angst.
Inwiefern ist das heute anders?
Ich kann heute solchen „Momenten der Wahrheit“ mit sehr viel mehr innerer Stabilität und Gelassenheit begegnen. Ich habe mehr Vertrauen in die Menschen um mich herum und in mich selbst. Das führt dazu, dass ich meine innere Barriere zwar nicht komplett losgeworden bin, aber zumindest kann ich bewusst über sie hinwegsteigen. Ganz konkret bedeutet das dann: Ich stelle die nächste Frage. Ich spreche aus, was ich beobachte. Und bislang ist es immer gutgegangen.
Was hat dir dabei geholfen? Welche Inhalte der Ausbildung waren da besonders wertvoll?
Da gab es so vieles, das hilfreich war – diese Ausbildung ist ein unglaublich reichhaltiges, buntes Potpourri an Methoden und Modellen. Was für mich besonders effektiv war, war dass wir so viel mit Selbsterfahrung und Ausprobieren gearbeitet haben. Dadurch bekamen die Inhalte eine andere Tiefe als das der Fall gewesen wäre, wenn wir sie nur auf einer Metaebene behandelt hätten. Eines der Highlights war für mich die gewaltfreie Kommunikation (GFK). Das ist natürlich ein Evergreen, der aber irgendwie nie alt wird, denn mit diesen 4 einfachen Schritten lässt sich fast jede Situation – und sei sie auch noch so aufgeladen oder vertrackt – gemeinsam navigieren.
Was noch?
Sehr wertvoll war für mich auch der Praxiseinsatz, weil ich dort die Gelegenheit hatte, in einem kleinen Team etwas auszuprobieren, das Gelernte in der echten Welt anzuwenden und dazu ganz ehrliches Wachstums-Feedback zu bekommen. Der eine Satz den ich mitnahm „da kannst du dich noch ein bisschen mehr in dich rein entspannen“ – der begleitet mich noch heute.
Was waren besonders wichtige Momente in der Ausbildung für dich?
Da gab es einige! Ich erinnere mich zum Beispiel noch an eine Übung im Konfliktmodul, die bei mir persönlich sehr viel bewegt hat. Da ging es darum, ein klärendes Gespräch an einem echten Beispiel zu illustrieren – mit Stellvertreter-Rollen. Ich spielte mich selbst und eine Kollegin spielte das Gegenüber. Die Gegenwehr, Wut und Abneigung gegenüber der Person, mit der ich den Konflikt hatte, verwandelte sich durch die Moderation in dieser Übung im Lauf von wenigen Minuten in einen Wirbelwind von Trauer, Scham und Mitgefühl – und plötzlich wurde ein ganz anderer Dialog, ein echtes Verstehen, möglich.
Was ich kognitiv längst wusste – nämlich, dass wir selbst oft mit unserer Haltung und unserem Verhalten genau die Muster triggern, die uns selbst zutiefst zuwider sind – das fiel mir plötzlich wie Schuppen von den Augen. Und da erst konnte ich dieses Wissen für mich richtig annehmen.
Das klingt, als hätte sich da einiges in dir verändert. Wie konntest Du denn mit dieser Transformation und mit dem „Neuem“ das sich da zeigte, umgehen?
Im Retreat-Modul hatte ich eine Art persönlichen Meltdown (was vielleicht auch ein bisschen mit Lagerkoller zu tun hatte). Ich merkte plötzlich, dass ich unglaublich dünnhäutig und durchlässig geworden war. Mein Schutzpanzer war mir abhandengekommen. Ich war in der Lage, Dinge zu fühlen, die ich mir vorher nicht erlaubt hatte, zu empfinden – wahrscheinlich aus Angst vor Zurückweisung. Das war der Moment, in dem ich verinnerlicht habe, dass ich mir den größten Schmerz genau damit zugefügt hatte, kurzfristige Schmerzen vermeiden zu wollen.
Gab es einen Moment, in dem du Angst hattest, dadurch einen Teil deiner Persönlichkeit zu verlieren?
Nein, das war für mich eher wie ein reinigendes Gewitter. Und dann zu wissen ich bin hier in einer Umgebung, in der all das sein darf und dazugehört – das hat es mir leichter gemacht, die neuen Facetten zu integrieren und mich verwundbar zu machen. Denn wer mit sich im Reinen ist und keine Angst mehr hat, braucht ja eh keinen Schutzpanzer mehr. Ich kann ja immer noch „die Toughe“ sein wenn ich will – aber ich muss nicht mehr.
Wie geht deine Entwicklung weiter? Wo möchtest Du noch dranbleiben?
Ich bilde mich kontinuierlich weiter und liebe es, Neues auszuprobieren und verschiedene Ideen und Methoden zu kombinieren. Ich engagiere mich in einer internationalen Facilitation Community (neverdonebefore), wo ich demnächst einen Workshop „Yoga for facilitators“ anbiete. Ich bin Co-Founder eines HR-Startups mit derzeit acht Personen, will eine Workshop-Scheune an unserem Haus entstehen lassen und mich regional mehr einbringen. Ich bin dabei, das was ich lernen durfte zu kombinieren und weiterzugeben und will auf jeden Fall dranbleiben wenn es darum geht, den „Momenten der Wahrheit“ Raum zu geben.
Vielen Dank Sonja, für dieses offene und berührende Gespräch. Wie schön, dass Du die Ausbildung mit Deinem Wesen bereichert hast.
Und hier geht es zur persönlichen Website von Sonja: Sonja Sinz